Hessischer Wasserverband Diemel

Aufgaben und Projekte

Hochwasserrückhaltebecken Ehringen

Die Ortslage Ehringen im Landkreis Waldeck Frankenberg wurde allein in den vergangenen 50 Jahren von sieben außergewöhnlichen Hochwasserereignissen der Erpe betroffen, die zu Überflutungen mit beträchtlichen Hochwasserschäden führten.

Die größten Hochwasserereignisse in dem über den Pegel Ehringen seit 1961 dokumentierten Zeitraum traten in den Jahren 1965, 1984, 1999 und 2002 auf. Bereits zuvor kam es im 19. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert zu großen Hochwasserereignissen mit katastrophalen Überschwemmungen, deren Maximalwasserstände anschaulich an mehreren Stellen im Ort, z.B. an einer Hochwassersäule am Mühlensteg dokumentiert sind. Die höchsten Überflutungen traten demnach am 19. Juli 1852 auf. Im Sommer 2002 wurden Teile der Ortslage innerhalb von nur 68 Tagen zwei Mal überflutet. Beim zweiten Hochwasserereignis am 18. Juli 2002 liefen gerade die letzten Vorbereitungen auf den jährlich stattfindenden Gedenkgottesdienst und das Wasserfest zur Erinnerung an das Katastrophenhochwasser von 1852 mit damals 3 Todesopfern. 

Die häufigen Hochwasserereignisse innerhalb von Ehringen machen deutlich, dass eine Verbesserung des Hochwasserschutzes dringend erforderlich ist. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach dem aktuellen hydrologischen Gutachten derzeit nicht einmal ein Schutz vor einem 10 jährlichen Hochwasserereignis gegeben ist. Für den Hessischen Wasserverband Diemel, dessen Mitglied die Stadt Volkmarsen ist, ist es deshalb unausweichlich, eine Verbesserung des Hochwasserschutzes für die Ortslage Ehringen zu erwirken. 

Ideen und Planungskonzepte zur Verbesserung der Hochwassersituation in Ehringen hat es in der Vergangenheit bereits mehrfach gegeben. Planungsansätze aus den 70er Jahren des damaligen Wasserwirtschaftsamtes Kassel sahen neben anderen Maßnahmen im Einzugsgebiet der Diemel u. a. den Bau einer Talsperre mit Dauerstau oberhalb von Ehringen mit Vorbecken an Erpe und Dase vor. Hydrogeologische Bedenken in dem von vielen Bruchfalten durchzogenen Gebiet konnten jedoch nicht ausgeräumt werden, so dass die Planungen nicht weiter verfolgt wurden. 

Ende der 80er Jahre wurden die Planungen für einen Hochwasserschutz der Ortslage Ehringen vom Wasserwirtschaftsamt Kassel wieder aufgenommen. Der ursprünglich als Vorsperre vorgesehene Bereich an der Erpe auf Höhe des „Rödeserteichs“ wurde für den Bau eines Hochwasserrückhaltebeckens in Betracht gezogen. Näher untersucht wurden damals zwei Standorte an der Erpe. Mangels ausreichender hydrologischer Wirkung für den Hochwasserschutz in Ehringen und der immer noch unsicheren hydrogeologischen Einschätzung des Gebiets, verbunden mit den dadurch befürchteten hohen Kosten, führten auch hier zur Einstellung des Vorhabens.

Mitte der neunziger Jahre wurden in einer Studie die Möglichkeiten eines innerörtlichen Ausbaus der Erpe in Ehringen zur Verbesserung der Hochwassersituation näher untersucht. Es wurden Maßnahmen aufgezeigt, wie der vorhandene Hochwasserschutzgrad zumindest geringfügig verbessert werden kann. Ergebnis der Studie war, dass in Bezug auf Machbarkeit, Ökologie und Wirtschaftlichkeit maximal ein Ausbau auf einen Schutz vor einem Hochwasser mit einer Wiederkehrzeit von 25 Jahren empfohlen werden kann. Bereits dann stünde jedoch zu befürchten, dass zwar kurzfristig eine Verbesserung des Hochwasserschutzes erreicht wird, aber aufgrund der dann erforderlichen Eindämmung der Erpe bei größeren Hochwasserereignissen die Schäden aufgrund der Behinderung des Rückflusses in die Erpe weitaus größer als derzeit ausfallen könnten. Eine befriedigende Lösung stellt diese Ausbauvariante nicht dar, zumal dieser Abfluss in den vergangenen 50 Jahren bereits drei Mal überschritten wurde.

Die Problematik des Hochwasserschutzes für Ehringen konnte durch die bisherigen Konzepte nicht befriedigend gelöst werden. Der Hessische Wasserverband Diemel hat deshalb 2003 zur Ermittlung der auf neuesten Daten beruhenden hydrologischen Grundlagen die Studie zum „Hochwasserschutz an Warme und Erpe“ in Auftrag gegeben. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass für den in Ortslagen üblichen höheren Schutzgrad auf den Bau eines Hochwasserrückhaltebeckens oberstrom der Ortslage nicht verzichtet werden kann.

Baustellenbesichtigung des Hochwasserrückhaltebeckens Ehringen/Erpe von Hermann Thomas 

Am 8. Juli hatten wir Gelegenheit, die bereits weit fortgeschrittene Baustelle des HRB Ehringen zu besichtigen. Der Damm hatte seine Endhöhe erreicht und am Auslassbauwerk wurden bereits Klappen und Regelschütze montiert. Aber fast so interessant wie die Besichtigung des Bauwerks ist seine Vorgeschichte.

Historie 

Die Ortslage des Volkmarser Stadtteils Ehringen war in der Vergangenheit immer wieder von Hochwässern der Erpe betroffen, in den letzten 50 Jahren allein sieben mal. Nach dem großen Hochwasser von 1965 wurde nicht nur der Bau der Twiste-, sondern auch der Erpetalsperre geplant. Sie sollte 5,6 Mio m3 Inhalt haben, davon 1,7 Mio. m3 als Dauerstau, und gleich nach der Twistetalsperre gebaut werden. Mit Hinweis auf die schwierigen Untergrundverhältnisse verweigerte jedoch damals die Wiesbadener Fachbehörde ihre Zustimmung. Pfingsten 1984 überflutete ein noch größeres Hochwasser (HQ 100) den Ort und war Anlass für Überlegungen, weiter oberhalb im Erpetal ein Trockenbecken (ohne Dauerstau) zu planen. Aber die Probebohrungen zeigten ähnliche Ergebnisse, so dass auch diese Lösung nicht weiter verfolgt wurde. Schließlich war der Hessische Wasserband Diemel bereit, die Kosten für einen Ausbau der Erpe in der Ortslage zu übernehmen. Als Minimalziel sollte der Schutz vor einem 25-jährigen Hochwasser (damals 47,5 m3/s) erreicht werden. Voraussetzung war jedoch, dass alle Anlieger am Gewässer dem Plan zustimmten. Da dieser Konsens trotz allen Einsatzes von Stadtverwaltung, Ortsvorsteher, Verband und Ingenieurbüro nicht herstellbar war, landete auch diesmal der Plan in der Schublade und es wurde still um den Hochwasserschutz in Ehringen – bis im Jahre 2002 wieder einmal „Land unter“ war. Durch die Initiative von Landrat Eichenlaub kam das Projekt allmählich in Schwung, wobei sämtliche Fachbehörden von Beginn an mit beteiligt waren, und so konnte am 29. September 2006 der erste Spatenstich gefeiert werden. 

Die Sperrstelle 

Sie liegt an einer Engstelle des Tales etwa 400 m oberhalb des Ortsausgangs gleich hinter der Eisenbahnbrücke über die Erpe und erfasst so auch noch die Dase, die aus Richtung Niederelsungen kommend, einen Anteil von etwa einem Viertel am Einzugsgebiet der Erpe hat. Die Lage des Dammes bestimmt auch seine Höhe, denn er erreicht an der südlichen Talflanke gerade die Höhe des Bahnkörpers. Hätte man mehr als den jetzt realisierten Stauinhalt von 1,43 Mio. m3 schaffen wollen, wäre ein längerer und teurer Flügeldamm längs der Bahn nötig gewesen. Aus wirtschaftlichen Gründen entschied man sich für ein Becken, das nur den Schutz vor einem 75-jährigen Hochwasser garantiert, während man sonst ein 100-jährliches Ereignis der Bemessung zugrunde legt. 

Damm und Untergrund 

Der Damm mit einer Kronenlänge von 220 m, einer Höhe von 10 m und Böschungen 1:2,5 wurde mit Rötton aus der Grube der ehemaligen Ziegelei Volkmarsen geschüttet. Das Material erwies sich als optimaler Baustoff, der sich sehr gut bearbeiten ließ und gleichzeitig eine hohe Wasserundurchlässigkeit des Dammkörpers gewährleistet. Um die kritische erste Schüttlage auf dem weichen Talgrund ausreichend verdichten zu können, wurde ein Kunststoff-Geogitter auf dem freigelegten Planum nach Abschieben der Grasnarbe verlegt. Unter einer bindigen Deckschicht liegt eine Kiesschicht aus verwittertem Buntsandstein, die nicht besonders abgedichtet wurde. Damit der sich dort bei Einstau aufbauende Druck keinen hydraulischen Grundbruch verursachen kann, sind Entspannungsbrunnen mit Dränleitungen und Filter sowie eine Druckbank aus Kalkschotter am luftseitigen Dammfuß gebaut worden, unter der ebenfalls Geogitter liegen. Am steilen rechten Talhang fehlt die in der Talaue und am linken Hang angetroffene bindige Deckschicht über dem hoch durchlässigen Buntsandstein. Deshalb wurde dort der Untergrund zur Verlängerung des Sickerweges von einem Betonband aus ca. 7 m Meter tief mit einer Zement-Bentonit- Suspension verpresst. Zum Schutz des Dammkörpers vor Wühltierbefall wurde unterhalb des Oberbodens eine 30 cm starke Schicht aus gebrochenem Muschelkalk eingebaut. 

Auslassbauwerk und Steuerung 

Im Auslassbauwerk in Trogform sind der zweizügige Zulauf, zwei Regelschütze und zwei Klappen mit Hydraulikantrieb sowie das anschließende Tos- oder Beruhigungsbecken zusammengefasst. Wegen des anstehenden Felsens im Untergrund wählte man zur Umschließung der bis zu 7 m tiefen Baugrube eine Wand aus insgesamt 218 Bohrpfählen mit 80 cm Durchmesser und maximal 11,50 m Länge. Die zunächst auf Lücke gesetzten Pfähle waren unbewehrt. Die später dazwischen gesetzten Pfähle schnitten die Nachbarpfähle an und erhielten eine Armierung (überschnittene Bohrpfahlwand). Die Pfähle binden in den Ton- bzw. Sandstein ein. So konnte die Baugrube weitestgehend gegen das Grundwasser abgedichtet werden. Das restliche Sickerwasser wurde in einer Dränschicht aus Splitt gefasst und Pumpensümpfen innerhalb der Baugrube zugeleitet. Die aufgehenden Trogwände wurden innerhalb der Baugrube gegen die Bohrpfahlwand betoniert, wobei als Trennschicht zur Bohrpfahlwand eine verlorene Schalung eingebaut wurde. Die Erpe, während der Bauzeit um die Baugrube herumgeleitet, unternahm zum Glück keinen ernsthaften Versuch, diese zu fluten. Zum Schutz vor Treibzeug, das während der ersten Einstauphase die Schütztafeln blockieren könnte, wurden im Zulauf Eichenpfosten in Betonköcher gesetzt. Das Tosbecken, zur Energievernichtung mit Strahlaufreißern und Prallkörpern ausgerüstet, ist über eine Zufahrtsrampe für Räumgerät zum Entfernen von Geröll zugänglich. Das ist wichtig, denn sonst könnte es seine beruhigende Wirkung nur unzureichend erfüllen. Weil das Wasserrecht der Obermühle erhalten bleibt, ist unterhalb der Bahnbrücke ein Regelschütz in deren Zuleitungsgraben gebaut worden. Unmittelbar vor diesem schließt die neue Gewässerstrecke mit einem Fischpass wieder an das alte Bachbett an. Das HRB Ehringen wird adaptiv gesteuert. Neben der Abflussmessung kurz unterhalb des Bahndammes wird der Abfluss zusätzlich an der Erpebrücke im Ortsteil Ehringen gemessen. Die Abgabe aus dem Becken wird so gesteuert, dass innerhalb der Ortslage Ehringen ein Abfluss von 29,5 m3/s bis zum Erreichen des Vollstaus nicht überschritten wird. Der Abfluss der Viesebecke und des verbleibenden Zwischeneinzugsgebiets wird damit berücksichtigt. Die Einrichtungen für die Steuerung befinden sich im Betriebsgebäude am Dammfuß. Es wird mit Kosten von ca. 7 Mio Euro gerechnet. 

Hauptdaten 

In Klammern sind zum Vergleich die Werte der Twistetalsperre angegeben. 

Niederschlagsgebiet: 122 km2 (125 km2) 

HQ100 89 m3/s (71,2m3/s) 

HQ25 49 m3/s 

Regelabfluss 29,5 m3/s (2,5 bis maximal 10 m3/s) 

Hochwasserschutzraum 1,43 Mio m3 (4,4 Mio m3 im Sommer, 5,6 Mio m3 im Winter) 

Niederschlag bei Abflussbeiwert = 1 

Für das Füllen des Hochwasserschutzraums 11,7 mm (35,2 mm im Sommer, 44,8 mm im Winter) 

Max. überstaute Fläche 37,6 ha (121 ha) 

Freibord 1,30 m (1,40m) 

Dass die Abflüsse der Erpe bei kleinerem Niederschlagsgebiet deutlich größer sind als an der Twistetalsperre liegt vor allem am hohen Anteil versiegelter Flächen der Stadt Wolfhagen. Bad Arolsen und Mengeringhausen entwässern dagegen nicht in die Twistetalsperre, sondern in die unterhalb mündende Ahr. 

Die Besichtigung vermittelte den meisten von uns neue Einblicke in dieses spezielle Gebiet des Tiefbaues, in dem überraschend viele Sparten zusammenwirken. Wir bedanken uns auch auf diesem Wege noch einmal ganz herzlich bei Herrn Gschwandtl vom planenden und bauleitenden Ingenieurbüro Wald und Corbe aus Hügelsheim/Baden, der mit viel Geduld unsere Fragen beantwortete.